Das „mitochondriale trifunktionale Protein“ (MTP) ist ein Eiweißkomplex, der drei an dem Abbau der Fettsäuren (ß-Oxidation) beteiligten Enzyme enthält: Hydroxyacyl-CoA-dehydrogenase (LCHAD); 3-Ketoacyl-CoA-thiolase (LKAT); Enoyl-CoA-hydratase. [der Eiweißkomplex besteht aus vier so genannten alpha Untereinheiten (HADHA) und vier beta Untereinheiten (HADHB)]. Er ist in den Bestandteilen aller Zellen (mit Ausnahme der roten Blutkörperchen), den so genannten Mitochondrien, lokalisiert.
Bei dem angeborenen, nicht geschlechtsgebunden (autosomal) und rezessiv (d.h. das gesunde Erbmerkmal überdeckt das kranke) vererbte Defekt des Mitochondrialen Trifunktionalen Proteins (MTP) handelt es sich um eine seltene Krankheit aus der Gruppen der Störungen im Abbau der Fettsäuren (mitochondrialen ß-Oxidation). Das im Trifunktionalen Protein enthaltene Enzym Langketten-3-hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase (LCHAD) kann auch als isolierter Defekt auf treten (siehe LCHAD-Defekt).
Aufgrund des Stoffwechseldefektes kommt es zu einer Vermehrung der langkettigen Fettsäuren mit den Kohlenstoffkettenlängen zwischen 14 und 18 Kohlenstoffatomen und deren verwandten Hydroxyfettsäuren [Myristat (C14), Palmitat (C16), Stearat (C18), Tetradecenoat (3-OH-C14), 3-OH-Palmitat (3-OH-C16), 3-OH-Octadecanoat (3-OH-C18) und 3-OH-Oleoat (3-OH-C18:1)].
In der Regel sind die Krankheitserscheinungen bei einem Defekt des gesamten MTP’s schwerer, als bei einem isolierter LCHAD-Mangel. Man kann eine schwere, im Neugeborenenalter auftretende, das Herz betreffende Form von einer Leber-Form unterscheiden. Die Schweregrade, besonders die milderen Formen, sind speziellen genetischen Mutationen zuzuordnen. (Störungen in den alpha- oder beta-Untereinheiten sind anhand des sich zeigenden Krankheitsbildes nicht zu unterscheiden).
Darüber hinaus sind Krankheitserscheinungen bei den Frauen, die den Gendefekt tragen (heterozygote) und mit einem homocygot betroffenem Kind schwanger sind, während der Schwangerschaft beobachtet worden (ähnlich wie beim LCAH-Defekt).
Im Rahmen des erweiterten Neugeborenenscreenings mittels Tandem-Massenspektrometrie aus Trockenblut werden in Deutschland seit dem Jahr 2002 alle Neugeborenen auf das Vorliegen eines LCHAD-Defektes und damit auch auf MTP-Mangel getestet.
Anzeichen (Symptome) der Erkrankung (vor Behandlungsbeginn bzw. ohne Behandlung)
Etwa bei der Hälfte der Neugeborenen mit dem MTP-Defektes tritt treten Voergrößerung von Herz und Leber, Unterzuckerungen (Hypoglykämien) ohne die sonst zu erwartende Vermehrung der Endsubstanzen des Fettsäurenabbaus (Ketonkorper) (hypoketotische Hypoglykämie) auf. Etwa 2/3 der Neugeborenen und Säuglinge mit diesem Krankheitsbild sind bisher verstorben. Stellt man die Krankheitserscheinungen erst im Säuglingsalter erstmals fest, z.B. in Situationen mit Stoffwechselstress z.B. durch Fieber bei Infektionen (erhöhter Energiebedarf), Erbrechen, Durchfall (mangelnde Kohlenhydratzufuhr) bzw. nach zu längerem Fasten (länger als 6-10 Stunden) ist die Aussicht für die Zukunft besser. Noch mildere Formen zeigen sich später durch allgemeine Entwicklungsverzögerung, Herzvergrößerung, Muskelschlaffheit (mit Muskelschmerzen), Gefühlsverlust in den Zehen und Fingern (periphere Neuropathie), Veränderungen an der Regenbogenhaut der Augen und gelegentlich Lebervergrößerung.
Ebenso wie bei heterozygoten (den Gendefekt habenden) LCHAD-Schwangeren mit einem homocygoten LCHAD-Defekt-Kind sind auch bei MTP-Überträgerinnen mit einem MTP-Kind im Mutterlaib häufiger Bluthochdruck, erhöhte Leberenzyme in Kombination mit niedrigen Zahlen an Blutplättchen (Thrombozyten) (HELLP-Syndrom) sowie im dritten Drittel der Schwangerschaft in seltenen Fällen Leberversagen (Fettleber) mit Übelkeit, Erbrechen und Gelbsucht (Ikterus) (AFLP-Syndrom) nachgewiesen worden.
Wie wird die Krankheit festgestellt?
Mit den üblichen speziellen laborchemischen Methoden lassen sich der Defekt des mitochondrialen Trifunktionalen Proteins nicht von dem der LCHAD unterscheiden. Bei den Untersuchungen im Rahmen des erweiterten Neugeborenenscreenings mittels Tandem-Massenspektrometrie aus Trockenblut findet man folgende an das kleine Transportprotein Carnitin gekoppelte Substanzen (Acylcarnitine) vermehrt: Myristoylcarnitin (C14), Tetradecenoylcarnitin (C14:1), Palmitoylcarnitin (C16), Hexadecenoylcarnitin (C16:1), Oleoylcarnitin (C18:1), Linoleoylcarnitin (C18:2), 3-OH-Tetradecanoylcarnitin (C14-OH), 3-OH-Tetradecanoylcarnitin (C14:1-OH), 3-OH-Palmitoylcarnitin (C16-OH), 3-OH-Oleoylcarnitin (C18:1-OH), 3-OH-Linoleoylcarnitin (C18:2-OH). Freies Carnitin (C0) ist in der Regel erniedrigt. Im Urin sind vor allem in Situationen von Stoffwechselstress zusätzlich für die Erkrankung typische Substanzen in erhöhter Konzentration nachweisbar.
Zur Unterscheidung zwischen MTP- und LCHAD-Defekten sind sowohl die Bestimmungen der 3 im MTF enthaltenen Enzyme aus Hautzellen (Fibroblasten) und/oder weißen Blutzellen (Leukozyten), als auch molekulargenetische Analysen geeignet.
Behandlung
Die Behandlung des MTP-Mangels ist identisch mit der des LCHAD-Defektes!
Bei akuten Krisen muss eine abbauende Stoffwechselsituation (Katabolie), verdeutlicht durch Unterzuckerung, sofort mittels einer intravenösen Zufuhr von Traubenzucker (Glukose) gestoppt werden. (z.B. durch intravenöse 10 – 20%ige Glukoselösung mit Elektrolyten, 10 – 12 g Glucose /kg KG und Tag). In besonders schweren Fällen können noch größere Menge an Traubenzucker (Glukose) und zusätzlich die Gabe von Insulin notwendig werden. Die Zufuhr von ausschließlich Glukose bzw. Kohlenhydraten (ohne Eiweiß bzw. Aminosäuren und ohne Fette) darf nicht länger als 48 Stunden dauern.
Bei fieberhaften Infekten oder als Vorbereitung für Operationen sollte frühzeitig mehr Energie in Form von Kohlenhydraten oral zugeführt werden (z.B. Maltodextrin: Säuglinge mindestens 15 g/kg KG pro Tag, Kinder 300 g/Tag).
Der Energiebedarf erhöht sich bei Temperaturerhöhung um 1 °C um etwa 10%!
Die Langzeitbehandlung besteht in der Vermeidung von Hungerphasen bzw. zu langen Fastenpausen (nicht länger als 6 Stunden) und in einer speziellen Diät:
a) drastischen Reduktion der Zufuhr von langkettigen Fettsäuren
Vermieden werden soll fettes Fleisch, fetter Fisch, frittierte Nahrungsmittel, Butter, Sahne, Nüsse, Eigelb, Avocado; keine Vollmilch und Vollmilchprodukte (nur Entrahmte Milch, Joghurt, Molke und Mager-Käse bzw. Quark)
b) Gabe von reichlich Kohlenhydraten (unter Bevorzugung von Lebensmitteln mit niedrigem glykämischen Index):
Nudeln, Reis, Pell-, Back- und Salzkartoffeln, Hülsenfrüchte, Bananen, Brot und Brötchen ohne Fett- und Milchzusatz
Falls mit natürlichen Lebensmitteln keine ausreichende Calorienzufuhr möglich ist, sollte Maltodextrin und/oder Milupa basic-f zusätzlich verabreicht werden.
c) Gabe von mittelkettigen Triglyceriden, z.B. MCT-Öl ; 20-25% der Energiezufuhr (beispielsweise in Form von Ceres-Öl oder Ceres-Margarine).
Insgesamt sollte Fett nicht mehr als 30% der zugeführten Energie liefern, wobei ein Anteil von 3 – 4% den lebenswichtigen (essentiellen) Fettsäuren vorbehalten sein sollte.
Außerdem steht eine spezielle fertige Trinknahrung für die MTP- bzw. LCHAD-Patienten zur Verfügung (MONOGEN, SHS-Heilbronn).
Bei allen Diätformen unter Verringerung der Gabe von langkettigen Fettsäuren muss auf eine ausreichende Zufuhr der essentiellen Fettsäuren geachtet werden (z.B. mit Walnussöl)! Die zusätzliche Einnahme der langkettigen Fettsäure Docosahexanoat (DHA) als Medikament scheint die Veränderungen an der Netzhaut der Augen günstig zu beeinflussen (60 – 120 mg/Tag).
Außerdem steht eine spezielle fertige Trinknahrung für die MTF- bzw. LCHAD-Patienten zur Verfügung (MONOGEN, SHS-Heilbronn).
Bei allen Diätformen unter Reduktion der Gabe von langkettigen Fettsäuren muss auf eine ausreichende Zufuhr der lebenswichtigen (essentiellen) Fettsäuren geachtet werden (z.B. mit Walnussöl)!
Bei Carnitinmangel kann L-Carnitin in geringen Mengen (z.B. 50 mg/kg KG und Tag) als Medikament verordnet werden. (Nach wie vor ist die Frage einer eventuellen Giftigkeit der Verbindungen von langkettigen Fettsäuren und Carnitin für den Herzmuskel nicht geklärt).
Aussichten für die Zukunft
Der MTP-Defekt ist seltener als der LCHAD-Mangel. Soweit man das bei dieser seltenen Erkrankung bisher feststellen konnte, ist die Sterberate auch der frühzeitig erfassten und konsequent behandelten Patienten hoch, obwohl die die Aussichten für die Zukunft durch die frühzeitige Erfassung im erweiterten Neugeborenenscreening und der damit frühzeitig einsetzenden Behandlung insgesamt günstiger geworden sind.
Ein plötzlicher Kindstod (SIDS) mit Säuglings bis Kleinkindesalter ist beim MTP-Mangel öfter beobachtet worden.
Erstellungsdatum: 2010
Die Bereitstellung des Textmaterials erfolgt durch freundliche Überlassung der SHS-Gesellschaft. Ergänzende Informationen finden Sie unter stoffwechselgutleben.de.