Verein für angeborene Stoffwechselstörungen e.V. (VfASS)

Menu Close

3-Methylglutaconaturie

Der Methylglutaconaturie ist eine angeborene Störung im Abbau des lebenswichtigen Eiweißbausteins (essentiellen Aminosäure) Leucin. Ihr liegt meist ein nachweisbarer Mangel eines das Leucin abbauenden Enzyms, der 3-Methylglutaconyl-CoA Hydratase, zugrunde. Vier Typen der Erkrankung lassen sich hinsichtlich der verschiedenen Ausprägungen der Krankheitserscheinungen und der Vererbungsgänge unterscheiden.
Der lebenswichtigen Eiweißbausteins (essentiellen Aminosäure) Leucin kommt in sämtlichen eiweißhaltigen Lebensmitteln vor.

Anzeichen (Symptome) der Erkrankung (vor Behandlungsbeginn bzw. ohne Behandlung)

Typ I: Der nicht geschlechtsgebunden (autosomal) und rezessiv vererbte (d.h. das gesunde Erbmerkmal überdeckt das kranke) Hydratase-Mangel entwickelt – wenn überhaupt – im Kleinkind- und frühe Schulalter Krankheitszeichen. Beschrieben wurden Verzögerungen der Sprachentwicklung, milde körperliche Entwicklungsverzögerung, Auffälligkeiten im Nervensystem, Muskelschlaffheiten und Veränderungen an den Augen, sowie Unterzuckerungen (Hypoglykämien), Übersäuerungen des Blutes (Acidose) und Vergrößerung der Leber.
Viele Betroffene weisen aber keinerlei Krankheitszeichen auf.
Typ II: (Barth-Syndrom) Der dramatische, schnell zum Tod führende Verlauf dieser geschlechtsgebunden (x-chromosomal) vererbten Form, beginnt gelegentlich schon im Neugeborenenalter mit einer Herzvergrößerung, gefolgt von Herzversagen und einer Verminderung der weißen Blutzellen mit häufigen Infektionen. Hier scheint eine Störung im Energiestoffwechsel entscheidend zu sein.
Typ III: Bei dieser nicht geschlechtsgebunden (autosomal) und rezessiv vererbte (d.h. das gesunde Erbmerkmal überdeckt das kranke) vererben Form der Methylglutaconaturie, die mit einer Ausnahme nur bei irakischen Juden gefunden wurde, gehen die Sehnerven beider Augen zugrunde und es entwickeln sich Störungen im NErvensystem, die auf eine Funktionsstörung des Kleinhirns hinweisen.
Typ IV: Diese nicht geschlechtsgebunden (autosomal) und rezessiv vererbte (d.h. das gesunde Erbmerkmal überdeckt das kranke) vererbte Form ist gekennzeichnet durch eine vermehrte Ausscheidung von Methylglutaconsäure mit dem Urin ohne Nachweis eines defekten Enzyms. Die Krankheitserscheinungen sind sehr unterschiedlich und reichen von angeborenen Fehlbildungen, Leistenbrüchen, Herzfehlern, bis zu Muskelschlaffheit, Atembeschwerden, allgemeine Entwicklungsverzögerung, Taubheit, Blindheit, Störungen des Nervensaystems (auch Krampfanfälle) und/oder Lebervergrößerungen.

Wie wird die Krankheit festgestellt?

Die 3-Methylglutaconaturie ist durch den Nachweis der an das kleine Transporteiweiß „Carnitin“ gebundenen Methylglutaconsäure (Carnitinester) im Blut und durch den direkten Nachweis der Säure im Urin feststellbar. Allen 4 Typen ist die niedrigen Konzentrationen an freiem Carnitin im Blut und die Vermehrungen von verschiedenen an Carnitin gebundenen organischen Säuren (Hydroxyisovalerycarnitin und Hexenoylcarnitin) gemeinsam (Bestimmung mittels der speziellen Labormethode Tandem-Massenspektrometrie aus getrocknetem Blut). Bei allen Typen finden sich im Urin große Mengen organischer Säuren (3-Methylglutaconsäure und 3-Methylglutarsäure, beim Typ I zusätzlich noch 3-Hydroxyisovaleriansäure)(Bestimmung mit Laboregrätekombination Gaschromatographie-Massenspektrometrie).
Zusätzlich findet man beim Typ I eine Übersäuerung des Blutes (Acidose) und Anstieg eines nur in der Muskulatur vorkommenden Enzyms (CK) im Blut, beim Typ II ebenfalls Übersäuerung des Blutes und Zeichen eines Leberversagens, beim Typ III zusätzlich eine Verminderung der weißen Blutzellen (Leukopenie) und beim Typ IV nur gelegentlich Übersäuerung des Blutes.

Behandlung

Die Behandlung besteht in einer Kombination von eiweißreduzierter Diät und Gabe des Medikamentes L-Carnitin (L-Carnitin 100 mg/kg KG Tag).
Für die diätetische Therapie reicht meist die Reduktion der Zufuhr von natürlichem Eiweiß (und damit von Leucin) aus, um zumindest einen Teil der Krankheitszeichen zu vermeiden.
Die eiweißreduzierte Ernährung ist verbunden mit einem Verzicht auf eiweißreiche Lebensmittel, was häufig als nicht so gravierend empfunden wird, da gegen diese ohnehin eine Aversion besteht.
Zu den besonders eiweißreichen Lebensmittel zählen:
Milch
Milchprodukte (Quark, Käse, Joghurt, Schokolade)
Fleisch, Wurst
Fisch, Meeresfrüchte
Eier
Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen, Linsen)
Mais
Nüsse, Mandeln
Cornflakes
Gries
Normales Brot, Kekse
Gelatinehaltige Süßigkeiten
Entsprechend der berechneten Leucinmenge können gegessen werden:
Obst
Gemüse
Kartoffeln und Kartoffelprodukte
Reis
Sahne
eiweißarme Nudeln
eiweißarmes Brot, Brötchen, Kuchen, Waffeln
eiweißarme Milch
Obstsäfte (bei größeren Mengen)
Apfelmus
Nach Bedarf können (ohne Berücksichtigen ev. vorhandener geringer Leucinmengen):
Wasser, Limonade, Kaffee, Tee
verdünnter Fruchtsirup
KABA fit Banane/Vanille; Erdbeere/Himbeere
Margarine, Öl, Butter
Zucker, Zuckerwatte, Traubenzucker
Süßigkeiten ohne Gelatine
Kaugummi
Wassereis
Honig
Marmelade, Konfitüre
Instant-Götterspeise

Die medikamentöse Behandlung und Diät müssen lebenslang durchgeführt werden!

Aussichten für die Zukunft

Bei frühzeitiger Erkennung der Krankheit und Gabe ausreichender Mengen an L-Carnitin und konsequenter diätetischer Behandlung (ohne schwere Stoffwechselentgleisungen) ist die Prognose mit Ausnahme des Typs II, günstig. Betroffene ohne Krankheitserscheinungen sollten nicht übermäßig viel Eiweiß essen und eventuell vorsorglich L-Carnitin als Medikament einnehmen.

Erstellungsdatum: 2010

Die Bereitstellung des Textmaterials erfolgt durch freundliche Überlassung der SHS-Gesellschaft. Ergänzende Informationen finden Sie unter stoffwechselgutleben.de.