Verein für angeborene Stoffwechselstörungen e.V. (VfASS)

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Argininbernsteinsäure-Krankheit

Der mit dem Nahrungseiweiß aufgenommene Stickstoff wird, wenn der Körper ihn nicht weiter benötigt, als Harnstoff mit dem Urin ausgeschieden. Die Bildung des Harnstoffs erfolgt vorwiegend in der Leber, in einem als Harnstoffzyklus genannten System, an dem mehrere Enzyme beteiligt sind. Bei dem nicht geschlechtsgebunden (autosomal) und rezessiv vererbten (d.h. das gesunde Erbmerkmal überdeckt das kranke) Mangel an einem dieser Enzyme, der Argininsuccinatlyase, entsteht die so genannte Argininbernsteinsäure-Krankheit (Argininosuccinaturie). Es kommt zur Erhöhung von Argininbernsteinsäure in allen Körperflüssigkeiten. Vermehrt finden sich auch der Eiweißbaustein (Aminosäure) Citrullin im Blut, die so genannte Orotsäure (Orotat) im Urin, sowie Ammoniak im Blut (Hyperammonämie). Die Krankheitserscheinungen sind abhängig von der Vermehrung von Ammoniak im Blut (Ammoniak ist eine chemische Verbindung von Stickstoff und Wasserstoff, die in höheren Konzentrationen giftig ist).

Anzeichen (Symptome) der Erkrankung (vor Behandlungsbeginn bzw. ohne Behandlung)

3 Verlaufsformen lassen sich in Bezug auf die Krankheitserscheinungen  und das Alter bei Auftreten der ersten Beschwerden (Manifestationsalter) feststellen:

1. Treten schon in den ersten Lebenstagen Vermehrungen von Ammoniak im Blut, Zittrigkeit, Reaktionsverlangsamung, Trinkschwäche, Muskelschwäche und Krampfanfälle auf, handelt es sich um die Neugeborenen-Form. Unbehandelt versterben die Betroffenen schon in den ersten Lebenswochen.
2. Bei der kindlichen Form beginnen die Symptome im Säuglingsalter mit Erbrechen, ungewollte Bewegungen (Tremor), Krampfanfällen, Bewusstseinsverlust, gelegentlich auch zusätzlich mit Vergrößerung der Leber und trockener, schuppige Haut. Ohne effiziente Behandlung erleiden die Betroffenen ein körperliche und/oder geistige Behinderung.
3. Die chronische (späte) Form zeigt sich im Kleinkindesalter zunächst als Entwicklungsverzögerung. Später bilden sich Krampfanfälle, zeitweilige Zittrigkeit und Reaktionsverlangsamung aus, die gelegentlich zusammen mit Kopfschmerzen nach eiweißreichen Mahlzeiten oder bei Infektionen (z.B. Husten, Schnupfen) auftreten.
Der kindlichen und der späten Form gemeinsam sind die Ausbildung von brüchigem, struppigem Haar (trichorrhexis nodosa).

Wie wird die Krankheit festgestellt?

Die typischen Vermehrungen von Argininbernsteinsäure [plus seiner 2 Anhydride (chemische Varianten)] sowie die Veränderungen der Konzentrationen der Eiweißbausteine (Aminosäuren) Citrullin, Arginin, und Ornithin lassen sich mit laborchemischen Methoden nachwiesen (Ionenaustauschchromatographie).
Das Enzym, die Argininbernsteinsäurelyase, ist in roten Blutkörperchen (Erythrozyten), Hautzellen (Fibroblasten), Leber- und Nierengewebe nachweisbar.
Die Schwere der Erkrankung ist nicht abhängig von den Konzentrationen der Argininbernsteinsäure.

Behandlung

Bei der Neugeborenen-Form steht die Beseitigung der Vermehrung von Ammoniak im Vordergrund (wie dies bei anderen angeborenen Harnstoffzyklusdefekten, z.B. Carbamylphosphatsynthetase- und Ornithintranscarbamylase-Mangel der Fall ist).
Die Langzeitbehandlung der Argininbernsteinsäure-Krankheit besteht in der Verordnung von Medikamenten gegen die Ammoniakvermehrung [Natriumbenzoat und Phenylbutyrat (Ammonaps ®)], der Gabe von Substanzen, die in den  Harnstoffzyklus teilhaben bzw. einmünden (Arginin, 180 – 800 mg/kg KG Tag plus Zitronensäure, bis zu 650 mg/kg KG Tag) und in einer spezielle Ernährung.

Die Ernährungs-Behandlung besteht in einer drastischen Verringerung  der Eiweißaufnahme mit dem Essen zur Vermeidung von Ammoniakvermehrungen. Liegt die gegebene Eiweißmenge dann deutlich unter dem empfohlenen altersentsprechenden Minimum, muss der Bedarf an lebensnotwendigen Eiweißbausteinen (essentiellen Aminosäuren) mit einem zusätzlichen, speziellen Medikament gedeckt werden.
Die sehr starke Reduktion der Zufuhr an natürlichem Eiweiß bedeutet für die Betroffenen einen Verzicht auf besonders eiweißreiche Nahrungsmittel, wie
Milch
Milchprodukte (Quark, Käse, Joghurt, Schokolade)
Fleisch, Wurst
Fisch, Meeresfrüchte
Eier
Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen, Linsen)
Mais
Nüsse
Cornflakes
Gries
Normales Brot, Kekse
Lakritze
Entsprechend der berechneten Eiweißmenge, können gegessen werden:
Obst
Gemüse
Kartoffeln und Kartoffelprodukte
Reis
Sahne
eiweißarme Nudeln
eiweißarmes Brot, Brötchen, Kuchen, Waffeln
eiweißarme Milch
Obstsäfte (bei größeren Mengen)
Apfelmus
Nach Bedarf können (ohne Berücksichtigen ev. vorhandener Eiweißrestmengen):
Wasser, Limonade, Kaffee, Tee
verdünnter Fruchtsirup
KABA fit Banane/Vanille; Erdbeer/Himbeer
Margarine, Öl, Butter
Zucker, Zuckerwatte, Traubenzucker
Süßigkeiten ohne Gelatine
Kaugummi
Wassereis
Honig
Marmelade, Konfitüre
Instant-Götterspeis

Bei den Formen der Erkrankung ohne gravierende Ammonikavermehrungen, genügt meist eine Eiweißreduktion.
Die Behandlung mit lebenslang durchgeführt werden.

Aussichten für die Zukunft

Die Zukunft der Patienten mit Argininbernsteinsäure-Krankheit ist abhängig von der Form der Störung. Die schlechtesten Aussichten haben die Betroffenen mit der Neugeborenem-Form. Bei den milderen Formen ist die Zukunftsaussicht günstig, wenn die Behandlung konsequent durchgeführt wird und keine Stoffwechselentgleisungen auftreten. Werden die Empfehlungen der speziellen Ernährung nicht eingehalten, resultieren vor allem Zustände mit geistiger Behinderung.

Erstellungsdatum: 2010

Die Bereitstellung des Textmaterials erfolgt durch freundliche Überlassung der SHS-Gesellschaft. Ergänzende Informationen finden Sie unter stoffwechselgutleben.de.