Verein für angeborene Stoffwechselstörungen e.V. (VfASS)

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Citrullinämie I (Citrullinämie Typ I)

Der mit dem Nahrungseiweiß aufgenommene Stickstoff wird, wenn der Körper ihn nicht weiter benötigt, als Harnstoff mit dem Urin ausgeschieden. Die Bildung des Harnstoffs erfolgt vorwiegend in der Leber, in einem als Harnstoffzyklus genannten System, an dem mehrere Enzyme beteiligt sind.
Der Mangel an einem dieser Enzyme, der (cytosomalen) Argininbernsteinsäuresynthetase (ASS), führt zu der nicht geschlechtsbezogenen (autosomal) und rezessiv vererbten (d.h. das gesunde Erbmerkmal überdeckt das kranke) angeborenen Krankheit, der Citrullinämie (Vermehrung des Eiweißbausteins [Aminosäure] Citrullin in allen Köperflüssigkeiten).

Anzeichen (Symptome) der Erkrankung (vor Behandlungsbeginn bzw. ohne Behandlung)

Die im Neugeborenenalter bereits auffällige Citrullinämie Typ I (Klassische Citrullinämie) führt in der Regel infolge der gleichzeitigen Vermehrung von Ammoniak (eine chemische Verbindung von Stickstoff und Wasserstoff, die in höheren Konzentrationen giftig ist) im Blut bereits in den ersten Lebenstagen zu Hirnschwellung, Zittrigkeit und Muskelschlaffheit, Verminderung der Reaktionsfähigkeit, Bewusstseinsverlust und Krampfanfällen, Erbrechen, evtl. auch zu Atmungsproblemen. Gelingt es innerhalb einiger Tage nicht, die Konzentrationen von Ammoniak zu senken, verstreben die Betroffenen unter Bewusstseinsverlust oder erleiden später einen generellen Entwicklungsrückstand sowie geistige Retardierung.
Aber auch mildere Verlaufsformen mit den ersten Beschwerden im Säuglings- und Kleinkindesalter sind beschrieben.
Entsprechend der Vielfalt vorhandener Varianten des betroffenen Enzyms (Argininbernsteinsäure-Synthetase) sind vor allem jenseits des Neugeborenenalters große Unterschiede hinsichtlich der Krankheitsbilder und des Zeitpunkt der ersten Beschwerden zu beobachten. Neben ganz milden Formen ohne Auffälligkeiten sind Varianten mit Erbrechen, Durchfall, Reaktionsverlangsamung, Krampfanfällen, gelegentlich auch mit Sprachstörungen, Wahnvorstellungen und psychischen Auffälligkeiten z. B. nach eiweißreichen Mahlzeiten beschrieben.

Wie wird die Krankheit festgestellt?

Neben der sehr deutlichen Vermehrung des Eiweißbausteins (Aminosäure) Citrullin im Blut und der so genannten Orotsäure (Orotat) im Urin steht bei den schweren Formen die Vermehrung von Ammoniak im Vordergrund.
Die Aktivität des Enzyms, die Argininbernsteinsäuresynthetase, lässt sich in Leber- und Nierengewebe sowie in Hautzellen (Fibroblasten) messen.

Behandlung

Treten schon in den ersten Lebenstagen Krankheitserscheinungen auf, ist eine intensivmedizinische Erstversorgung durch dafür spezialisierte Ärzte in Stoffwechselzentren notwendig.

a) Bei Auftreten der ersten Beschwerden/Notfallbehandlung
Bei der Erstversorgung oder bei einer Stoffwechselentgleisung steht an erster Stelle der Behandlung die Senkung der Ammoniakkonzentration im Blut. Dieses geschieht durch Stopp der Eiweißzufuhr (nicht länger als 2 Tage) bei gleichzeitiger Zufuhr von viel Kalorien (z.B. Traubenzucker) und Gabe von ammoniakbindenden Medikamenten [Natriumbenzoat und Phenylbutyrat (Ammonaps ®)]. Nicht selten sind intensivmedizinische Eingriffe (Dialyseverfahren) zur Senkung der Ammonikkonzentrationen notwendig.

b) Langzeitbehandlung
Die Behandlung der Citrullinämie besteht in einer Kombination von medikamentöser und diätetischer Behandlung. Beide müssen lebenslang strikt eingehalten werden.
Neben der regelmäßigen Einnahme von ammoniakbindenden Medikamenten sowie eventuell Arginin als Harnstoffzyklusbestandteil, ist eine spezielle Ernährung die Hauptsäule der Langzeitbehandlung. Sie besteht in einer drastischen Einschränkung der Aufnahme von natürlichem Eiweiß mit dem Essen bis auf den minimale Menge und zusätzlicher Gabe eines Gemisches von ausschließlich lebenswichtigen Eiweißbestandteilen (essentielle Aminosäuren) zur Deckung des altersentsprechenden Stickstoffbedarfs. Auf eine ausreichende Zufuhr von Salzen (Mineralien), Vitaminen und Spurenelementen muss geachtet werden. Ein Diätfehler durch zu hoher Zufuhr von natürlichem Eiweiß ist ebenso gefährlich wie Situationen, in denen körpereigenes Eiweiß abgebaut wird (Katabolie).
Die sehr starke Reduktion der Zufuhr an natürlichem Eiweiß bedeutet für die Betroffenen einen Verzicht auf besonders eiweißreiche Nahrungsmittel, wie
Milch
Milchprodukte (Quark, Käse, Joghurt, Schokolade)
Fleisch, Wurst
Fisch, Meeresfrüchte
Eier
Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen, Linsen)
Mais
Nüsse
Cornflakes
Gries
Normales Brot, Kekse
Lakritze
Entsprechend der berechneten Eiweißmenge, können gegessen werden:
Obst
Gemüse
Kartoffeln und Kartoffelprodukte
Reis
Sahne
eiweißarme Nudeln
eiweißarmes Brot, Brötchen, Kuchen, Waffeln
eiweißarme Milch
Obstsäfte (bei größeren Mengen)
Apfelmus
Nach Bedarf können (ohne Berücksichtigen ev. vorhandener Eiweißrestmengen):
Wasser, Limonade, Kaffee, Tee
verdünnter Fruchtsirup
KABA fit Banane/Vanille; Erdbeer/Himbeer
Margarine, Öl, Butter
Zucker, Zuckerwatte, Traubenzucker
Süßigkeiten ohne Gelatine
Kaugummi
Wassereis
Honig
Marmelade, Konfitüre
Instant-Götterspeise

Aussichten für die Zukunft

Die Aussicht für die Zukunft bei Patienten mit Citrullinämie Typ I ist abhängig von der Schwere der Erkrankung, im besondern der Schwere der Ammoniakvermehrungen und Zahl der Stoffwechselkrisen. Insgesamt überwiegt aber die Zahl der Krankheiten mit guter Zukunftsaussicht.

Erstellungsdatum: 2010

Die Bereitstellung des Textmaterials erfolgt durch freundliche Überlassung der SHS-Gesellschaft. Ergänzende Informationen finden Sie unter stoffwechselgutleben.de.